Illusion
Entstehung
Die zweite mehrminütige Animation von Achim Stößer, Illusion entstand im Zeitraum November 1988 bis November 1990 in Zusammenarbeit mit der Universität Freiburg. Das dortige Institut für Informatik stellte wie die Karlsruher Fakultät für Informatik Rechenkapazität zur Verfügung.
Von Thomas Maus stammt das Programm zur Wellensimulation, das in zwei Szenen eingesetzt wurde. Bernhard Geiger erzeugte aus Tomographiedaten mit seinem Programm Repros das Modell eines Kopfes. Wolfgang Leister und Jörg Winckler betreuten das Sun-Netz in Karlsruhe bzw. Freiburg, Stephan Abramowski die Aufzeichnungshardware. Da das Institut für Betriebs- und Dialogsysteme inzwischen über eine optische Platte verfügt, war es nicht erforderlich, außer Haus aufzuzeichnen.
Musik und Vertonung stammen von Frerk Meyer. Aufgezeichnet wurde der Ton von Ralph Bühler (Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe).
Die offizielle Uraufführung fand im Rahmen der Jahresfeier der Universität im Dezember 1990 statt.
Inhalt
Ausgangspunkt für die neue mehrminütige Animation, Illusion, waren zwei Bilder: Winter, vom Oktober 1987, eine äußerst realistische Darstellung eines Raumes, und Das Ende einer Illusion, das im März '88 entlarvend die Kulissenhaftigkeit des Raumes darstellte. Damit ist das Ziel des Films beschrieben: Aufbau einer Scheinwirklichkeit und berechnende Zerstörung der Illusion.
Am Anfang steht eine einzelne Kugel, Sinnbild für die geometrischen Grundelemente, Modell der Elementarpartikel des Atoms. Die Kugel teilt sich, zwei Halbkugeln entstehen, doch beide Hälften erben die Eigenschaften des ursprünglichen Ganzen: Der Vorgang läßt sich beliebig wiederholen, ohne daß die Kugelhaftigkeit länger als für Augenblicke verloren ginge. Sobald 2³ = 8 Kugeln existieren, wird jede von ihnen mit einer hieratischen Bedeutung belegt, sie werden einer Metamorphose unterworfen, die sie zu Zeichen macht, zu Buchstaben, die, im Konglomerat, ein Wort bilden: ILLUSION, Inhalt und Titel des Films.
Die Welt kippt, das Wort wird Wirklichkeit - oder Scheinwirklichkeit. Der Betrachter folgt einem Schmetterling, fällt auf eine Szene zu, die ihm deutlich macht: Dies ist Simulation; im Nichts schweben drei, und nicht sechs, Wände, um einen Raum anzudeuten, angefüllt mit Requisiten, ein Tisch mit Gläsern, eine Lampe, an der Wand ein Bild, das vertraut erscheint, ein Fenster - Blick nach Draußen, doch dort ist nichts als ein verstümmelter Baum, Äste, aber keine Wurzeln, wozu auch, es gibt keinen Boden, in dem sie Halt finden könnten.
Doch sobald der Betrachter sich im Inneren des Raums befindet - sofern die drei Seiten eines Quaders ein Inneres haben können - vollzieht er im Geist, Macht der Gewohnheit, den Sprung, der es ihm erlaubt (oder der ihn zwingt), die vorgegaukelte Scheinwelt als das zu sehen, was sie nicht ist: ein Bild der Wirklichkeit.
Der Betrachter wird eingeschlossen in dieser Bildwelt, eine Jalousie vor dem Fenster versperrt den Blick nach draußen. Doch noch während dies geschieht, wird die Illusion durchbrochen, es wird gezeigt, wozu die Abschottung dient: Der Baum verschwindet. Doch statt ihn, wie es möglich wäre, einfach auszuschalten, sobald er außer Sicht ist, schmilzt seine Substanz, noch während die Jalousie fällt, seine Zweige werden haarfein, Spinnweben, Nichts.
Es folgt eine scheinbar willkürliche Collage aus Szenen, die immer wieder die Unwirklichkeit dieser Welt demonstrieren. Doch zu Anfang hinterlassen sie Spuren, ein Martini schwebt, einer Seifenblase gleich, aus seinem Glas, zerplatzt zu Hunderten von Perlen, die Gläser versinken im Tisch.
Der Schmetterling, der den Betrachter hierhergeführt hat, hat sich vermehrt. Ein ganzer Schwarm fliegt herbei, umschwärmt, der sonnenabhängigen Orientierung seiner Art gehorchend, die erleuchtete Lampe. Und hier ein Zwischenschnitt, der einzige des ganzen Films: Die Kamera umkreist mit dem Schwarm die Lampe, und noch einmal ist das Fehlen einer Umgebung zu sehen, nur das Wechseln des Standpunktes ermöglicht den Blick aus der Kulisse heraus. Dann wieder die gewohnte Sicht, der Schmetterlingsschwarm reißt sich los, fliegt davon.
Weitere surrealistische Ereignisse weichen die Pappwelt auf. Eine Kugel fällt auf, in, durch den Tisch, und Wellen kräuseln seine Oberfläche. Ein Kopf erscheint, doch er ist genau das, ein Kopf, nichts weiter. Der Tisch verformt sich auf eigenartige Weise. Das Universum wird verzerrt wie bei einem Hyperraumsprung in einem Science-Fiction-Film, die Illusion endet, weiß, wie sie begonnen hat, so daß sie, zu einer Endlosschleife geklebt, ewig laufen könnte.